Donnerstag, 3. Mai 2012

Babel [Alejandro González Iñárritu | USA, FRA, MEX 2006]


Alle Menschen hatten die gleiche Sprache und gebrauchten die gleichen Worte. Als sie von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Land Schinar und siedelten sich dort an. Sie sagten zueinander: Auf, formen wir Lehmziegel und brennen wir sie zu Backsteinen. So dienten ihnen gebrannte Ziegel als Steine und Erdpech als Mörtel. Dann sagten sie: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel und machen wir uns damit einen Namen, dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen. Da stieg der Herr herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten. Er sprach: Seht nur, ein Volk sind sie und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, was sie sich auch vornehmen. Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache, sodass keiner mehr die Sprache des anderen versteht. Der Herr zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen. Darum nannte man die Stadt Babel (Wirrsal), denn dort hat der Herr die Sprache aller Welt verwirrt, und von dort aus hat er die Menschen über die ganze Erde zerstreut. [1. Buch Mose, Kapitel 11]
Viele bewegende Schicksale auf drei verschiedenen Kontinenten. Nach den Erfolgen von Amores Perros und 21 Gramm dreht Alejandro González Iñárritu mit Babel seinen dritten Episodenfilm. Doch diesmal überschreitet er die Grenzen der Länder und erzählt eine Geschichte, die sich ebenso geographisch wie thematisch über die ganze Welt erstreckt. Es ist die Rede von vielen bewegenden Schicksalen auf drei verschiedenen Kontinenten mit einem Unfall im Mittelpunkt, der alle verbindet. Aber schnell wird einem klar, dass es hier so viel mehr gibt, was die Menschen verschiedenster Kulturen gemeinsam haben, denn obwohl keiner den anderen versteht, sind es doch die Gefühle, die ein und die selbe Sprache sprechen. Babel zeigt den Kampf eines jeden Menschen um Verständnis und Toleranz, und wie Sprachvielfalt und Bürokratie versucht, diesem ersehnten Wunsch einen Riegel vorzuschieben. Iñárritu tut dabei das, was er am besten kann: Er versucht seine Zuschauer am Herzen zu packen und überträgt seine Kritik am Menschen in Emotionen, denen sich niemand entziehen kann. Warum wird ein lebensrettender Krankenwagen von der amerikanischen Botschaft gestoppt? Warum hat die Festnahme einer völlig harmlosen Frau mehr Priorität als zwei Menschenleben zu retten? Babel zeigt uns, wie unbegreiflich das Verhalten vieler Menschen ist, wenn sie auf Unbekanntes stoßen, eröffnet uns aber auch wenige Lichtblicke, die begriffen haben, was es heißt tolerant zu sein und Sprachbarrieren mittels Nächstenliebe zu überwinden. Und spätestens nach einem der ergreifendsten Filmenden versteht man, dass der Gewehrschuss als auslösendes Moment hier lediglich als Aufhänger für eine wesentlich bedeutsamere Verbindung steht: Der Traum von einer Welt, die sich und alle Menschen als ein Ganzes sieht. Ländergrenzen sind nur politische Hürden, keine menschlichen. Kritisch, eindringlich, packend und sehr emotional. Ein Meisterwerk.

9/10

4 Kommentare:

  1. Absolutes Meisterwerk. Vorgestern erst wieder gesehen und festgestellt, dass ich kein Finale emotionaler, ehrlicher und beeindruckender finde, als die letzen Szenen der Japan-Episode. Sehr eindringlich gespielt und mit einer PERFEKT getimten Kamera ausgestattet. Vielleicht etwas konstruiert, aber bei den Emotionen, die hier aufgefahren wurden, absolut verkraftbar. Schön, dass wir - wieder einmal - einer Meinung sind. :)

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    1. Gestern gesehen (s. dein Gästebuch @moviepilot^^) und bei mir sind, wie auch schon erwähnt, Tränen geflossen. Ja, das Ende ist wirklich unvergleichlich. Ich hoffe du meinst mit "konstruiert" nicht die Verknüpfung der Handlungsstränge, denn die sind zwar nur sehr lose, dafür aber auch absolut verständlich miteinander verknüpft. Ich sehe gerade, das war auf die Enden bezogen?! Ja, da würde ich mitgehen. Das hat man besonders der Mexiko-Episode angemerkt, gestört hat es mich aber nicht. Ja, einer Meinung sein ist schön. :)

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  2. Auch für mich, einer der besten Filme aller Zeiten, da die Charaktere nicht nur eine verbundene Hintergrundgeschichte besitzen, sondern auch die zentrale Thematik der Sprachbarriere hervorragend umgesetzt wurde, was besonders bei Chieko in Japan, durch ihre Taubheit nachvollziehbar und emotional umgesetzt wurde. Bisher habe ich Babel viermal gesehen und bis jetzt hat er nichts an seinem Reiz verloren. Beautiful wartet auch noch im Regal.

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    1. Hab ihn gestern erst zum zweiten Mal gesehen, wobei ich nicht ausschließe, dass er den letzten Punkt auch noch ergattern kann ... besonders, wenn er, wie du sagtest, weiterhin nichts an seinem Reiz verliert.
      "Biutiful" ist auch sehr tragisch, kritisch und einfühlsam, aber ich muss sagen, dass Inarritu Probleme hatte, die Geschichte durchweg interessant zu gestalten, da es sein erster Film mit nur einem Handlungsstrang war und den auf Spielfilmlänge strecken musste. Das merkt man. Aber schau ihn dir ruhig unvoreingenommen an. Wäre auf deine Meinung sehr gespannt.

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